Der Russland-Ukraine-Krieg
Der Russland-Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen auf gängige Versicherungssparten
Am 24.02.2022 begann der Überfall Russlands auf die Ukraine. Der Krieg dauert seitdem an. Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die unter diesen furchtbaren Ereignissen leiden müssen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach etwaigen Auswirkungen auf Ihren Versicherungsschutz. Wir gehen nachstehend auf die häufigsten Fragen ein – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit dem Wissensstand zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung.
Die Klausel Kriegsausschluss
Zunächst: Russland und die Ukraine sind sogenannte Verbotsländer. In solchen Ländern gilt eine Versicherungspflicht. Infolgedessen beinhalten internationale Versicherungskonzepte lokale Policen für diese Länder. Dabei ist zu beachten: Auch für internationale Policen gilt der „Kriegsausschluss“. Diese Klausel kennen Versicherungsnehmer*innen grundsätzlich aus sämtlichen Versicherungssparten. Sie besagt, dass ein Kriegsereignis ein nicht kalkulierbares und steuerbares Kumulrisiko darstellt und weder von Erst- noch von Rückversicherern übernommen wird (Ausnahme: Transport-Versicherungen, die See- und Lufttransporte im internationalen Verkehr umfassen).
Konkret bedeutet ein Kriegsausschluss innerhalb einer Police, dass sich eine Versicherung – ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen – nicht auf Schäden durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand erstreckt. Dies bezieht auch auftretende Spätschäden (als adäquate Kriegsfolgen) nach Ende der Kriegshandlungen mit ein.
Versicherungsschutz in der Ukraine
Grundsätzlich dürfte in Ihren lokalen Policen für Risiken in der Ukraine ein Kriegsausschluss analog zu deutschen Policen vereinbart sein. Daneben gilt es, den sogenannten Financial Interest Cover (kurz: FInC) zu prüfen, der das Interesse der Konzernmutter am Werterhalt der Auslandsbeteiligung versichert. Ob in diesem Rahmen Versicherungsschutz für ukrainische Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen besteht, hängt vom Einzelfall und den weiteren Entwicklungen ab.
Versicherungsschutz in Russland
Für den Versicherungsschutz von Unternehmen bzw. Auslandsbeteiligungen in Russland rücken vor allem die Sanktionen in den Fokus. Inwieweit Ihr Versicherungsschutz betroffen sein könnte, hängt von den jeweiligen Sanktionsklauseln in Ihren Verträgen und deren Formulierungen ab. Nicht selten berechtigen sie dazu, vertragliche Verbindungen sofort zu lösen, sollten Unternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeiten vor Ort gegen eine Sanktionsverordnung verstoßen.
Versicherungsschutz in einzelnen Sparten
Cyber-Versicherung
Nicht nur mit konventionellen Waffen greift Russland die Ukraine an, sondern auch über das Internet. In diesem „Cyberkrieg“ sind sowohl staatliche als auch private Akteure aktiv. Letztere richten ihre Angriffe zwar nach eigenen Angaben gegen die russische Regierung, doch sei zu erwarten, „dass auch der private Sektor betroffen sein wird.“
Viele Versicherer sehen in ihren Cyber-Versicherungen Kriegs- und Terror-Ausschlüsse zur Vermeidung drohender Kumulschäden vor. Was das im Schadenfall bedeutet, hängt vom Ausmaß der Ausschlüsse ab. Es wird zum Beispiel zu prüfen sein, inwieweit ein außerhalb der vom Krieg betroffenen Staaten liegendes, zufällig betroffenes Unternehmen Teil jenes befürchteten Kumulrisikos wäre oder ob solche Schäden als Kollateralschäden nicht mehr ausgeschlossen wären. Zivilrechtliche Beweislastregeln könnten ebenfalls zu Rate gezogen werden:
Im konkreten Fall eines Ausschlusses müsste der Versicherer beweisen, dass es sich um einen kausal durch Kriegshandlungen verursachten Schaden handelt.
Wie aktuell auf dem Markt zu hören ist, wird tatsächlich in Erwägung gezogen, mit der Begründung Kriegsausschluss die Leistung abzulehnen. Hartnäckige Auseinandersetzungen zwischen Maklern, Industriekunden und Versicherern scheinen vorprogrammiert.
D&O-Versicherung
Als Entscheider*in sind Ihnen Ihre Sorgfaltspflichten sicherlich bekannt. Im Moment sollten Sie im Rahmen geplanter Exporte vor allen Dingen die aktuellen Sanktionen seitens der EU (und eventuell weiterer Länder) gegen Russland genau prüfen. Denn Verstöße gegen Sanktionen können enorme Bußgelder nach sich ziehen – und ob die Versicherer dafür aufkommen, darf bezweifelt werden.
Haftpflichtversicherung
Haftpflicht-Deckungen bleiben - je nach Ausgestaltung der jeweiligen Policen - auch in Russland und der Ukraine gültig. Demgemäß sind Schäden, die sich kriegsunabhängig ereignen, im üblichen Rahmen und Umfang vom Versicherungsschutz umfasst. Auch Haftpflichtpolicen beinhalten allerdings Kriegs- und Terrorklauseln. Demnach sind Ansprüche wegen Schäden infolge von Kriegsereignissen, inneren Unruhen, Terrorakten oder Generalstreik nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Bitte beachten Sie zudem weitere Sanktionsklauseln, die nicht selten in Haftpflichtpolicen integriert sind.
Kfz-Versicherung
Der Versicherungsschutz Ihrer Kfz-Versicherung gilt weiterhin vollumfänglich (sofern dem keine Sanktionen Deutschlands oder der EU entgegenstehen) – und das auch in der Ukraine.
Bezüglich etwaiger Kriegsausschlussklauseln gilt es, die jeweiligen Sparten zu betrachten:
Die Kfz-Haftpflicht-Versicherung bleibt von der Kriegssituation unangetastet. Schadenersatzansprüche Dritter (Abwehr oder Befriedigung) sind also gedeckt. Anders in der Kfz-Kasko-Versicherung: Hier entfällt der Versicherungsschutz, wenn der Schaden durch Kriegsereignisse unmittelbar oder mittelbar verursacht wird sowie bei Inneren Unruhen oder Maßnahmen der Staatsgewalt, welche unmittelbar oder mittelbar verursacht werden. Dies gilt auch für die diversen Nebensparten der Kfz-Versicherung wie Insassenunfall, Fahrerschutz, Schutzbrief oder Umweltschadendeckung.
Achtung: In der Ukraine besteht im Rahmen der Kasko-Versicherung und den genannten Nebensparten weiterhin Versicherungsschutz, wenn der Schaden nicht mittelbar oder unmittelbar durch ein Kriegsereignis verursacht wurde.
Kredit-Versicherung
Wenig überraschend erschüttert der Krieg auch stark den Kredit-Versicherungsmarkt. Die Reaktionen der Kreditversicherer reichen von der Limitierung versicherter Volumina bis hin zu kompletten Ausschlüssen. Neue Risiken für die Ukraine und Russland werden derzeit nicht gezeichnet. Die Situation versicherter Lieferanten und Abnehmer gilt es im Einzelfall zu prüfen.
Unser Expertenteam berät Sie gerne: gbh-kredit.de
Sach- und Ertragsausfallsversicherung
Rigoros sind Versicherer im Rahmen der Sach-Versicherung für z.B. Gebäude, Fabriken (mitsamt technischer Ausrüstung, Anlagen, Vorräte und sonstigen Inhalten). Aufgrund der absehbar gehäuften Fälle gilt ein allgemeiner Ausschluss von Schäden - ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen - im Zusammenhang mit Krieg oder kriegsähnlichen Ereignissen.
Auch die Ertragsausfallversicherung sieht aus den vorgenannten Gründen einen Ausschluss für Krieg und kriegsähnliche Ereignisse vor. Auch mangels versicherter Sachschäden umfasst sie daher keine Lieferausfälle aufgrund von Werksschließungen/-beeinträchtigungen oder Betriebsunterbrechungen/-beeinträchtigungen. Somit gelten auch Rück- und Wechselwirkungsschäden in der Ukraine vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Ebenfalls betroffen wäre eine Non-Property-Damage-Business-Interruption (NDBI)-Versicherung. Eine individuelle Prüfung ist angebracht, sollte es infolge von unterbrochener Energieversorgung oder Kommunikationswege, Unterbrechung der Versorgungskette, Mangel an Arbeitskräften u. ä. zu einem Betriebsstillstand kommen.
Technische Versicherung
Analog zur Sachversicherung gilt auch für die technischen Versicherungen, wie z.B. Elektronik- oder Maschinenversicherungen, der Ausschluss von Schäden – ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen - im Zusammenhang mit Krieg oder kriegsähnlichen Ereignissen. Dieser Ausschluss gilt insofern auch für eventuelle Unterbrechungsversicherungen als Ergänzung zu den technischen Versicherungen.
Besonderheit „Projektversicherungen“:
Für Neugeschäfte in Russland (teils auch bereits in Belarus) sowie in der Ukraine sieht es hinsichtlich der Technischen Versicherung vorerst schlecht aus. Schon jetzt haben sich viele Versicherer ein Zeichnungsverbot auferlegt. Vermutlich werden weitere Versicherungsunternehmen folgen.
Neue Montage-Projekte dürften damit in diesen Ländern obsolet werden. Die eigentlich verpflichtende lokale Police kann nicht in Kraft treten, dementsprechend entfällt meist auch der Versicherungsschutz über den deutschen Mastervertrag.
GBH-Empfehlung: Gehen Sie bei Projekten in diesen Ländern keine Vereinbarungen in etwaigen (Werks-)Verträgen ein, die dem Auftragnehmer den Versicherungsschutz aufbürden. Idealerweise übernimmt der Besteller die Versicherung.
Aktuell scheinen laufende Projektdeckungen mangels Kündigungsmöglichkeit unbeeinflusst fortzubestehen. Selbstredend arbeiten Jurist*innen der Versicherungsgesellschaften daran, aufgrund des wachsenden Sanktionsszenarios Ausstiegsmöglichkeiten zu finden. Im Visier: eine entsprechende Schadenfallkündigung wegen bestehender Sanktionen.
Tipp: Klären Sie bei laufenden Projekten schnellstmöglich, ob eine Verlängerung im Raum steht, um alternative Lösungen zu finden. Schließlich steht es in den Sternen, ob die Versicherer über das ursprüngliche Projektende hinaus weiter Versicherungsschutz gewähren.
Industriekunden mit Projekten in der Ukraine müssen in der Regel aufgrund des Kriegsausschlusses in den Policen auf Versicherungsschutz verzichten.
Transport-Versicherung
In der Transport-Versicherung wirkt sich der Transportweg auf den Versicherungsschutz aus. An Land (Lkw- oder Bahntransporte sowie bei Lagerungen) bleiben die Kriegsgefahren grundsätzlich außen vor. Für See- und Lufttransporte im Verkehr mit dem Ausland können die Gefahren des Krieges, Bürgerkrieges oder kriegsähnlicher Ereignisse in den Versicherungsschutz wieder eingeschlossen werden. Zusätzlich wurde üblicherweise das Streik- und Aufruhr- sowie Beschlagnahmerisiko mitversichert. Diese Klauseln gelten auch für Landtransporte und Lagerungen. Diese Klauseln beinhalten für Versicherer allerdings ein Sonderkündigungsrecht mit einer Frist von zwei Tagen. Dies soll es ihnen erlauben, auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können.
Derzeit verweisen viele Versicherer auf ihr Sonderkündigungsrecht und beenden Deckungen der oben genannten mitversicherte Gefahren in der Ukraine. Die Kündigung betrifft meist das Staatsgebiet und die Hoheitsgewässer der Ukraine (Schwarzes Meer und Asowsches Meer) sowie das Gebiet Russlands im Rahmen einer 200-Kilometer-Zone von der Landesgrenze zur Ukraine. Die Kündigung betrifft Kriegsgefahren im Luftverkehr über die Ukraine und auf Seeschiffen in den Hoheitsgewässern der Ukraine. Auch das Streik- und Aufruhr-, ebenso wie das Beschlag-nahmerisiko werden für die Ukraine gekündigt.
Transporte, die vor Wirksamwerden der Kündigung begonnen haben, bleiben bis zu ihrem Ende (also dem Löschen aus dem Seeschiff bzw. der Entladung der Güter) vollumfänglich versichert. Lagerungen, die vor Erhalt der Kündigung begonnen haben, bleiben maximal weitere 30 Tage versichert.
Versicherungen sowohl in die Ukraine sowie nach Russland sind möglich. Wir würden Ihnen aber dringend die vorherige Rücksprache empfehlen, denn die oben genannten Ausschlüsse greifen auf alle Fälle. Außerdem finden zurzeit keine Verladungen in die Ukraine statt und eine Entladung im Hafen z. B. von Odessa ist nicht möglich. Im Geschäft mit Russland sind zudem Sanktionsprüfungen vorgesehen.
Es steht im Interesse aller friedliebenden Menschen, dass dieser Krieg und das unermessliche Leid schnellstmöglich beendet werden. Nicht nur wir als Unternehmen, sondern auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich entweder finanziell oder durch Sachspenden, um die geflüchteten und notleidenden Ukrainerinnen und Ukrainer zu unterstützen.